Dr. Ulrich Kypke, Vorstand
Eine persönliche Anmerkung
Janosch IST, wie er es selbst sagt, „Aus Versehen geboren, und dann selig über die Erde getorkelt. Wie ein Bote, der hier etwas abzuliefern, aber den Empfänger vielleicht doch noch nicht gefunden hat, ihn auch gar nicht mehr sucht, …“ (Aus: „Von dem Glück, als Herr Janosch überlebt zu haben“ S. 12)
Janosch ist der Philosoph und Bedenkenträger und Menschenfreund und Abenteurer und Spötter und Ketzer und Kriegsfeind, ja, und dazu der Maler und Gestalter und Schriftsteller und Film- und Hörspielautor. Es ist eben DER Mensch, der das Glück hatte, als Herr Janosch überlebt zu haben.
Ich lernte Janosch 1991 kennen, zusammen mit Emil Grünbär und seiner Bande. Sein Buch mit diesem Titel war gerade im Diogenes Verlag Zürich erschienen. Es ging darum, mit Kindern eben mal die Umwelt zu retten. Von mir gegründet wurde mit Janosch ein Kinder-Umwelt-Klub. In den folgenden Jahren erreichten der Umwelthäuptling Emil Grünbär, die kluge Graugans Dolli Einstein und der gütige Hund Rüdi von Lieberbaum mit interaktiven Kinder-Umwelt- Aktionen, einem Puppenspiel-Ensemble hundertausende Kinder. Gefördert von der Bundesumweltstiftung und einigen großen Unternehmen, präsentierten wir diese Mitmach-Aktionen in Einkaufszentren, auf Marktplätzen und in vielen Schulen in fast allen Landkreisen der damals neuen Bundesländer. Ein Höhepunkt war die Präsentation der Emil-Grünbär-Aktionen im Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 1992 in Spanien. Dort in Sevilla und auf zahlreichen Eröffnungsveranstaltungen war auch Janosch selbst dabei.
Janosch erwies sich in Vorbereitung dieser Aktionen als präzise „funktionierender“ Profi. Ich erinnere mich an den Mitgliedsausweis + Begleithinweis für Eltern für den „Emil-Grünbär-Kinder-Umwelt-Klub“. Die aufwendige grafische, textliche und inhaltliche Vorbereitung, ihm zur Genehmigung zugeschickt, verwarf Jot, wie er bei uns einfach hieß, als „Mist“. In zwei Tagen hatten wir Text. Layout, genaue Anweisungen für die Platzierung und Druckgrößenangabe aller textlichen und grafischen Bausteine + eine passende Zeichnung der Emil Grünbär Bande auf dem Tisch. Das wurde so überrnommen, genau umgesetzt – und alles passte.
Bei den Pressekonferenzen mit stets großem Publikumsandrang konnte es schon passieren, dass Janosch, nachdem er den überaus umständlichen und wissenschaftlich aufgeschäumten Beitrag eines örtlichen Fachpädagogen still und freundlich angehört hatte, schlicht anmerkte, dass sei ein so kolossal kluger Beitrag, dass er nun gar nichts mehr zu sagen brauche. Waran er sich dann auch konsequent hielt.
Seit vielen Jahren setzt sich Janosch für Projekte gegen die Armut ein. In seiner Heimatstadt Zabrze (polen) kaufte er Wohnplätze für Waisenkinder, regelmäßig stiftet er komplette Auflagen seiner Radierungen, lässt seine Bilder für SOS Kinderdörfer, medizinische Hilfe in Afrika, die Krebshilfe und den Tierschutz versteigern.
In der Vorweihnachtszeit 2000 hat Janosch auf meine Anregung in Kooperation mit dem Hamburger Abendblatt 5 Farbradierungen zum Thema „Arme Hunde“ geschaffen. Jede Radierung erschien in einer limitierten Auflage und wurde von Janosch handsigniert. Aus dem Erlös konnten einige 10.000 (damals) DM an das Hamburger Obdachlosenmagazin „Hinz & Kunzt“ und an den Tierschutzverein „Vier Pfoten“ übergeben werden.
Der Herr Janosch und ich hatten auch verdammt schwierige Zeiten miteinander. Ich hatte die Sisyphus-Aufgabe, in Abstimmung mit Janosch möglichst alle auf diverse Verlage und einzelne Rechteinhaber verstreuten Lizenzrechte für Bücher, Filme, und sonstige Produkte im gemeinsamen Interesse zusammenzukaufen. Das gelang zwar weitgehend, aber der steinige Weg mit vielen Verträgen und riesigen Kosten türmten immer wieder Schwierigkeiten und Enttäuschungen auf, vor allem für Janosch selbst.
„Lieber großer Meister Janosch“, füge ich hier ein, „Du hast den großen Verdruss, der Dir aufgeladen wurde, nicht verdient. Das tut mir bis heute leid. Es hat bei uns beiden Wunden geschlagen. Ich hoffe und denke, dass diese Wunden inzwischen etwas verheilt sind. Narben sind freilich geblieben. Gut, dass wir beide aus unseren altpolnischen Wurzeln Gene haben wie das Urvolk der amerikanischen Prärie: Der Indianer kennt keinen Schmerz.`“
Mit Janosch verbinde ich auch noch eine, wenn auch indirekt, sehr persönliche Geschichte. Janosch ist in Zabrze, dem früheren Hindenburg, im Oberschlesischen Kohlenpott geboren und dort die ersten etwa 14 Jahre seines Lebens aufgewachsen. Auch meine Eltern haben zur Kriegszeit dort im Nachbarort Katowice (bis 1945 Kattowitz) ihre Familie gegründet. Die örtliche, unmittelbare Nähe kontrastierte mit einem unüberwindbaren Gegensatz verschiedener Welten. Janosch ist in großer Armut und mit den gegenseitigen Vorbehalten und Ängsten der Bewohner des Grenzgebietes, dann mit dem Leid des Krieges aufgewachsen. Mein Vater, nach Kriegsbeginn als NS- Polizeiinspektor vor Ort, mitverantwortlich für administratives Unrecht und auch für persönlich begangene Untaten, konnte seine Familie noch vor Jahresende 1944 in einem Reichsbahn-Sonderabteil weit nach Westen in Sicherheit bringen lassen, während die Oberschlesische Bevölkerung noch zum Bleiben und zum Widerstand gegen die im Januar 1945 einrückende Rote Armee aufgefordert wurde. Verschiedene autobiografisch beeinflusste Bücher von Janosch wie „Polski Blues“ oder „Cholonek“ oder „Der liebe Gott aus Lehm“ haben mir geholfen, die Not, die Qualen, die Hoffnungen der damaligen Zeit besser zu verstehen und mir die Möglichkeiten aufzuzeigen, mit seiner hintergründig-bitteren Ironie mehr inneren Abstand und Seelenkraft zum Verständnis und zur Einordnung meiner eigenen Vatergeschichte zu bekommen.
Das ist mein persönlicher Zugang zu diesem großen Künstler und Botschafter der Menschlichkeit, der das Leben mit Sonne und Schatten und Stürmen und Liebe erfahren und der seine in inzwischen fast 85 Jahren daraus erwachsenen Botschaften an Generationen von großen und kleineren Kindern weitergegeben hat und mit seinen Büchern und Filmen weitergeben wird.
Das umfassende, vielfältige Werk von Janosch ist ein Bergwerk mit Abenteuern und Überraschungen. Steigen Sie ein in die Schatzgrube und finden Sie ihre Glanzsteine.
Viel Erfolg beim Entdecken wünscht Ihnen
15.11.2015